Sechs Hebel für eine CO2-freie Lieferkette

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Devon Lake Director, Sustainability Solutions, Head of Food & Beverage
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Inhalt

  1. Barrieren Der Emissionsreduktion in der Lieferkette
  2. Sechs Hebel für eine CO2-freie Lieferkette
    1. Hebel 1: First-Tier-Supplier
    2. Hebel 2: Rohstoffbeschaffung
    3. Hebel 3: Logistik
    4. Hebel 4: Energieeffizienz der Lieferantenstandorte
    5. Hebel 5: Erneuerbare Energien bei Lieferanten
    6. Hebel 6: Wissenschaftsbasierte Klimaziele für Supplier
  3. Beschleunigen Sie die Nachhaltigkeitstransformation in der Lieferkette heute


Damit Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen, ist die Emissionsreduktion in der Lieferkette von entscheidender Bedeutung. Oft behindern weitreichende Risiken und Komplexitäten das Handeln. Dieser Artikel erklärt sechs bewährte Hebel zur Beschleunigung der Dekarbonisierung von Lieferketten mit Beispielen, die jedes (Logistik-)Unternehmen für sich durchgehen und anwenden kann.

Kein Aktionsplan zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens ist heute komplett ohne einen konkreten Blick auf die Lieferkette. Sie ist für durchschnittlich 74 Prozent des CO2-Fußabdrucks verantwortlich. Die Reduktion von Treibhausgasen in der Lieferkette stellt daher ein effektives Ziel dar, um Nachhaltigkeit zu fördern. Unternehmen wie Microsoft, Bayer und Walmart haben das erkannt. Sie sind nur einige Namen einer wachsenden Zahl an Marken, die Emissionsziele für Zulieferer festlegen, um ihre Scope-3-Emissionen in Angriff zu nehmen.

Globale Lieferketten sind komplex, undurchsichtig und verändern sich ständig.
Dadurch sind Emissionen sehr schwer messbar und werden deshalb selten in Nachhaltigkeitsberichten ausgewiesen (sehen Sie Abbildung 1). Da sie aber einen so erheblichen Teil der Treibhausgasemissionen ausmachen, können Unternehmen nicht so lange warten, bis sie alle benötigten Daten und Informationen beisammenhaben, um zu handeln. Aufgrund des kommenden und viel diskutierten Lieferkettengesetzes in Deutschland, müssen die Emissionen in den Lieferketten schnell reduziert werden.

Im besten Interesse jedes Unternehmens, sich frühzeitig mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen der eigenen Lieferkette auseinanderzusetzen und etwas zu unternehmen. Daher müssen effektive vor symbolischen Maßnahmen Vorrang haben und öffentlich geteilt, repliziert und skaliert werden.

Die Führungskräfte müssen die Lieferketten dekarbonisieren, um den Fortschritt in Richtung ehrgeiziger Ziele zu beschleunigen.

Es gibt schon heute einige Pioniere, deren Instrumentarien zur Reduktion von Lieferkettenemissionen gut etabliert sind. Bei ENGIE Impact haben wir sechs effektive Hebel identifiziert, die Unternehmen jetzt einsetzen können.


Sechs Hebel für eine CO2-freie Lieferkette

Es gibt schon heute einige Pioniere, deren Instrumentarien zur Reduktion von Lieferkettenemissionen gut etabliert sind. Bei ENGIE Impact haben wir sechs effektive Hebel identifiziert, die Unternehmen jetzt einsetzen können.


Hebel 1: First-Tier-Supplier

Es gibt unterschiedliche Ansätze, um Emissionen bei Zulieferern zu reduzieren: Erhöhung des Anteils von Rohstoffen aus nachhaltiger Landwirtschaft, Umstellung auf Materialien oder Technologien, die weniger Kohlenstoff ausstoßen, Entwicklung von Kreislaufmodellen oder Investitionen in Forschung und Entwicklung, um Prozesse zu verbessern.

Unternehmen können damit beginnen, strategische Lieferanten und Produktkategorien zu identifizieren, die für einen großen Prozentsatz ihrer Scope-3-Kohlenstoffemissionen verantwortlich sind. Das Ziel muss sein, ein nachhaltiges Engagement des Lieferanten einzufordern oder nachhaltiger arbeitende Partner zu bevorzugen. Das gelingt, indem Anforderungen frühzeitig kommuniziert und Berichtspflichten festgelegt werden. Zusammenarbeit ist von größter Bedeutung, wenn es darum geht, Lieferanten in die Lage zu versetzen, praktikable Möglichkeiten zur Emissionsreduzierung zu identifizieren.

BMW hat zum Beispiel angekündigt, dass es von allen Batterielieferanten verlangen werden, ihre Kohlenstoffemissionen in den Ausschreibungen anzugeben. Diese Maßnahme hilft BMW nicht nur dabei, die Lieferanten mit den geringsten Emissionen zu identifizieren, es ist auch ein Signal für andere Anbieter, sich über ihre Betriebspraktiken Gedanken zu machen.


Hebel 2: Rohstoffbeschaffung

Maßnahmen mit Bezug zur Rohstoffbeschaffung umfassen zum Beispiel nachhaltige Land- und Forstwirtschaftsprojekte und können neben Emissionsreduktionen auch positive Effekte auf biologische Vielfalt, Naturschutz und die nachhaltigen Lebensgrundlagen von Kleinbauern haben. Denn Wälder absorbieren etwa 30 Prozent der Kohlenstoffemissionen und die Landwirtschaft ist für 17 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Zum Beispiel hat der Getränke- und Snackhersteller PepsiCo ein Programm für nachhaltige Landwirtschaft entwickelt. Es unterstützt Landwirte dabei, neue Technologien, Anbaupraktiken und Managementtechniken auszuprobieren. Die Ergebnisse werden mit der wachsenden Zahl an teilnehmenden Landwirten im Programm geteilt, um effektive Maßnahmen zu identifizieren. So können lokale landwirtschaftliche Betriebe ihre Effizienz und Rentabilität auf Basis von Praxisbeispielen verbessern.


Hebel 3: Logistik

Auch die Logistik stellt einen großen Hebel für die Emissionsreduktion dar. Allerdings macht es die Komplexität der Verkehrsnetze und das schnelle Tempo des technologischen Wandels in diesem Bereich schwer, Maßnahmen voranzutreiben. Unternehmen müssen ihr Logistikprofil besser verstehen, indem sie die vor- und nachgelagerte Logistik, Geschäftsmodelle (wie beispielsweise Insourcing, Outsourcing oder Hybrid) und Transitarten (Straße, Schiene, Schiff, Luft) analysieren.

Auf dieser Grundlage können Unternehmen dann die Auswirkungen der Implementierung nachhaltiger Lösungen bewerten, einschließlich der Routenoptimierung, Flottenelektrifizierung, Flottengröße, alternativer Kraftstoffe und E-Mobilität auf Basis von grüner Energie. Diese Lösungen können dann anhand ihrer Effekte über kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte abgebildet werden.

Um diese Maßnahmen in großem Maßstab umsetzen zu können, sollten Unternehmen eng mit Logistikanbietern und Transportdienstleistern zusammenarbeiten. Gemeinsam können sie Bereiche in Angriff nehmen, deren Dekarbonisierung immer noch schwierig ist, wie z. B. der Treibstoffaspekt bei Flugzeug- und Schiffstransporten.

Das weltweit aktive Speditionsunternehmen Kühne + Nagel, bezieht zum Beispiel auch seine Emissionen von vor- und nachgelagerten Prozessen in sein Netto-Null-CO2-Ziel für 2030 ein. Das Unternehmen verpflichtete sich und seine Zulieferer, Hand in Hand zu arbeiten und digitale Tools einzusetzen, um Routen zu optimieren und Dienstleistungen mit den geringsten Kohlendioxidemissionen auszuwählen.


Hebel 4: Energieeffizienz der Lieferantenstandorte

Unternehmen können Lieferanten mit Produktionsstätten, Distributionszentren oder anderen physischen Infrastrukturen dabei helfen, Energieeffizienz und Emissionsreduzierungen zu ermitteln und zu finanzieren. Dabei stellt im ersten Schritt vor allem die Optimierung der Energieeffizienz einen enormen ersten Hebel dar. In der Industrie- und Fertigungsindustrie beispielsweise ist die Herstellung von Metallen wie Stahl, Aluminium oder Kupfer aus recyceltem Schrott 60-90 Prozent weniger energieintensiv als die Primärproduktion aus Metallerzen.

Um einen Wandel bei ihren Lieferanten voranzutreiben, können Unternehmen Workshops zur Ressourceneffizienz durchführen, wie sie zum Beispiel die Responsible Business Alliance (RBA), die weltweit größte Industriekoalition für soziale Verantwortung in Lieferketten, ihren Mitgliedern anbietet. Darin können Lösungen aufgezeigt und erfolgreiche Praxisbeispiele besprochen werden.

Manager auf Unternehmens- oder Standortebene erhalten Hilfestellung beim Identifizieren von Standorten, die viel Optimierungspotenzial haben. So werden Potenziale mit kurzer Amortisationsdauer oder hohen Kosteneinsparungsmöglichkeiten frühzeitig erkannt. Oft benötigen diese kein Vorabkapital oder können eigenfinanziert werden. So können Lieferanten und Partner relativ einfach zum Handeln bewegt werden.


Hebel 5: Erneuerbare Energien bei Lieferanten

Durch die zunehmende Verfügbarkeit erneuerbarer Energien können Unternehmen von ihren Lieferanten verlangen, diese zu nutzen. Dabei sollten strategisch wichtige Lieferstandorte Vorrang haben, die aufgrund von guter Verfügbarkeit, politischen Gegebenheiten, lokalen Marktbedingungen oder der Art der Lieferantenaktivitäten das größte Potenzial bergen. Diese Faktoren sind vor allem für Hochenergieverbraucher wie Produktions- und Verarbeitungsstandorte relevant.

Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine bekannte Möglichkeit, Emissionen zu reduzieren, aber regulatorische Gegebenheiten, Verfügbarkeit und Investitionsausgaben können Hindernisse darstellen. Unternehmen müssen bestehende Optionen für den Einsatz erneuerbarer Energien in der gesamten Lieferkette identifizieren und können ihren Lieferanten dann helfen, die Hindernisse zu überwinden.

Unternehmen können die Umsetzung solcher Maßnahmen zudem unterstützen, indem sie ihre eigenen Verpflichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien transparent kommunizieren und Beispiele für realisierbare Ziele aufzeigen. Sie können Maßnahmen bei Lieferanten auch durch direkte Finanzierung oder Koordination der Finanzierung vor Ort durch Gemeinden vorantreiben.

Nike bekämpft zum Beispiel den Großteil der in seiner Lieferkette konzentrierten Emissionen, indem es direkt mit den Zulieferern an der Reduzierung des Energieverbrauchs arbeitet. Zu den jüngsten Initiativen gehören die Unterstützung von Lieferanten bei der Installation von PV-Solaranlagen auf den Dächern von Fabriken, das Eintreten für eine bessere Politik an Standorten, an denen Nike-Zulieferer ansässig sind, und der Ausbau verantwortungsvoll beschaffter Biomasse.

Auch die Mitgliedschaft in Käuferallianzen wie zum Beispiel der Renewable Energy Buyer Alliance (REBA) hilft Lieferanten bei der Umstellung auf erneuerbare Energien.


Hebel 6: Wissenschaftsbasierte Klimaziele für Supplier

Zur Ermittlung wissenschaftsbasierter Klimaziele wird als Ausgangsbasis die benötigte Reduktionsleistung innerhalb der eigenen Branche und des eigenen Unternehmens ermittelt, um die globale Erwärmung effektiv auf zwei Grad zu begrenzen. Es geht dabei nicht um das Reduktionspotenzial des einzelnen Unternehmens, sondern um das Erreichen der CO2-Reduktion, die notwendig ist, um die Klimaziele zu erreichen. Inzwischen haben sich weltweit mehr als 1.000 Unternehmen zu wissenschaftsbasierten Klimazielen verpflichtet. Allerdings führen Ziele an sich nicht zu einer Verringerung der Emissionen. Unternehmen müssen ihren Zulieferern dabei helfen, umsetzbare Pläne aufzustellen, indem sie ihre eigene Expertise teilen und so den Weg für eine nachhaltigere Zukunft zu ebnen.

Durch die Kaskadierung der wissenschaftsbasierten Klimaziele können Unternehmen Konsistenz auch in der Lieferkette erreichen. Der 2-Grad-Referenzpunkt macht eine Beurteilung der Nachhaltigkeit von Zulieferern einfacher. Zudem wird der Veränderungsdruck auf weitere Unternehmen übertragen. Ehrgeizige, messbare Reduktionsziele können die notwendige Transformation nicht nur in den Zulieferbetrieben vorantreiben, sondern durch transformative Veränderungen von Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen auch substanzielles Wachstum freisetzen.

Wie das funktionieren kann, zeigt das Beispiel von AT&T. Der Telekommunikationsanbieter hat sich verpflichtet, dass 50 Prozent seiner Zulieferer, auf Basis des Ausgabenvolumens, bis 2024 wissenschaftlich begründete Scope-1- und Scope-2-Ziele festgelegt haben. Das sollte das Unternehmen auf einen guten Weg in Richtung 2-Grad-Ziel bringen.


Es ist an der Zeit, die Nachhaltigkeitstransformation in der Lieferkette zu beschleunigen

Alle der sechs dargestellten Hebel zur Dekarbonisierung der Lieferkette können Unternehmen heute schon in großem Maßstab anwenden. Zum Start müssen die höchsten Potenziale identifiziert und sichergestellt werden, dass die Maßnahmen mit der gesamten Unternehmensstrategie vereinbar sind. Das Ziel ist eine Dekarbonisierungsstrategie für die gesamte Lieferkette, bei der die Gesamtheit aller Einsparungen höher ist als die Summe der Einsparungen der einzelnen Maßnahmen.

Worauf warten wir noch? Wir haben ein Jahrzehnt. Lassen Sie uns gemeinsam arbeiten.


Die Autoren bedanken sich bei Camille Cury, Kim Carnahan, Nayla Bezares, Karim Farhat und Thomas Mort recht herzlich für ihre aktive Mitarbeit.


* Das aktuell diskutierte Lieferkettengesetz in Deutschland soll Unternehmen verpflichten oder in Haftung nehmen, die im Ausland beschafften Vorleistungsgüter oder Fertigerzeugnisse in allen Phasen ihrer Lieferkette auf etwaige umweltschädigende oder gegen die Arbeitsbedingungen verstoßende Produktionsverfahren zurückzuverfolgen. Die Initiative geht auf das Jahr 2011 zurück, als die internationale Gemeinschaft die „UN-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten“ verabschiedete, um den Kampf gegen Kinderarbeit, Sklaverei und Ausbeutung zu intensivieren: Unternehmen sollen sich an die „Sorgfaltspflicht“ halten und sicherstellen, dass sie keine Vorprodukte von Sweatshops kaufen. In der Folge entwickelte die Bundesregierung einen „Nationalen Aktionsplan“ (NAP) zur Umsetzung der UN-Prinzipien, der zunächst nur eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft vorsah.


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